Dieser Tag begann früher als der Erste. Wir packten unsere Sachen zusammen und machten uns ohne Frühstück auf den Weg zum Hackathon. Dafür gab es dort kleine leckere Croissances und gebackenes Schneckenförmiges Gebäck mit Obstfüllung! Die Teams bereiteten alles für ihre Präsentationen vor. Jede Gruppe hatte insgesamt fünf Minuten Zeit, um das an diesem Wochenende entstandene Produkt kurz vorzustellen. Ich war aufgeregt, schließlich war ich nicht bei allen Vorstellungen der Produkte gestern Abend dabei gewesen und kannte deshalb viele nicht.
Es waren insgesamt 12 Projektgruppen, die sich präsentierten. Ein Teilnehmer hatte sogar alleine gearbeitet. Drei Projekte drehten sich um die Verwendung von Haushaltsgeräten mit Touchscreen, inspiriert an den Vortrag von Bahaddin. Wir konnten also ziemlich viel Kaffee trinken 🙂
Ein anderes, sehr interessantes Projekt, war die Möglichkeit, mit Sonar Produkte beim Einkaufen zu erkennen. Ein weiteres Projekt, einen Notruf abzusetzen für alle Formen der Behinderung möglich zu machen.
Es waren so viele interessante Ideen an nur einem Wochenende entstanden! Ich war ganz baff und glücklich! Auch, wenn ich selbst, wie ich wahrscheinlich tausendmal an diesem Wochenende betonte, nicht programmieren kann, so bin ich eine betroffene, für die durch die Weiterentwicklung dieser Produkte so vieles erleichtert werden könnte!
Nach den Präsentationen gab es eine Pause, in der sich die Jurymitglieder berieten. Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, um das Einkaufsprojekt zu testen. Als ich gerade dabei war, es mir genauer anzusehen, tauchte plötzlich Marco auf. Er fragte, ob ich kurz mitkommen könne. Als ich mich nach dem Grund erkundigte, teilte er mir mit, dass ich in die Jury aufgenommen worden war. Ich war so überrascht, freute mich aber riesig darüber! Er begründetet es damit, dass ich keine Programmierkänntnise hätte und das ein Vorteil wäre, da ich unparteiisch sei und nicht an der Entstehung der Produkte mitgearbeitet hatte. Also hat es doch etwas Gutes, an einem Hackathon keine Programmierkentnisse zu besitzen.
Wir gingen in einen anderen Raum, wo auch schon die anderen Jury Mitglieder saßen. Unter anderem Tom-Flo, der heute ein neues Namensschild, Stephanie, trug, Ulli und Alexandra von der Aktion Mensch, eine weitere Frau namens Uli, eine Bekannte von Marco, die ebenfalls stark an der Organisation beteiligt war,
Andreas Costrau der Gebärdensprachler. Da andere seine Sprache nicht beherrschen, hat er stets Dolmetscher für Laut und Gebärdensprache dabei.
Dennis, der vom Hals abwärts gelähmt ist, seine Mutter und andere, die ich nicht kannte. Wir alle sollten nun entscheiden, welche drei Teams den Hackathon gewinnen. Die Wahl fiel wirklich unsagbar schwer, denn es waren einfach zu viele tolle Projekte. Wir einigten uns schließlich, nach dem jedes Jurymitglied drei Favoriten abgegeben hatte. Die Siegerehrung konnte beginnen!
Bei der Siegerehrung war der Pressesprecher der Aktion Mensch anwesend, um diese zu moderieren.
Dennis wurde zuerst auf die Bühne geholt.
Florian und er hatten während des Hackathon zuerst die Sprachsteuerung der HoloLens getestet und später noch einen externen Klicker, um den Hauptbefehl “Select” ausführen zu können. Dafür wurde der Klicker unter Dennis Ellbogen gelegt, sodass es ihm möglich war, das Klicken über seine Schulter aus zu führen.
Das klappte sehr gut.
Da Dennis vom Hals abwärts gelähmt ist, kann er nur seinen Kopf und die Schultern bewegen. Den Computer bedient er mit einer Mundmaus. Das ist wie ein Joystick der sich mit dem Mund bedienen lässt. Über Saug- und Blasfunktionen kann er dann die Klicks oder andere Tastaturbefehle auslösen. Dafür hat das Mundstück drei Löcher. Die Belegung ist nicht festgesetzt und kann nach den individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Dennis schreibt meistens mit Hilfe einer Bildschirmtastatur mit Wortvorschlägen. Nur bei großen Texten verwendet er eine Spracherkennung.
Schließlich wurden die Gewinner bekannt gegeben: Den dritten Platz belegte “GreenDrop”, eine Anwendung, die es ermöglicht, mit Diagrammen beispielsweise einen Skypeanruf zu tätigen oder das E-Mail-Programm zu starten.
Den zweiten Platz belegte das Multi-inklusionstool für automatische Notruf und Hausautomatisierung. Dies ermöglicht es für alle Behinderungsgruppen, notrufe abzusetzen.
Den ersten Platz belegte “Birne 7.0”, bestehend aus sieben Mitgliedern, die es sich zur Aufgabe machen wollen, eine Website zu kreieren, die Menschen mit Behinderungen und Programmierer zusammenbringen soll. Es war das Projekt, an dem ich auch ein wenig mitgearbeitet hatte.
Alle Infos zu den einzelnen Projekten mit genauer Beschreibung findet ihr hier
Nach der Siegerehrung wurden noch Fotos mit den Gewinnern geschossen. Es ist wirklich großartig, was Menschen an einem Wochenende alles erreichen können! Und noch besser ist es, dass sie es für Barrierefreiheit für alle tun!
Dann war es leider Zeit, sich zu verabschieden. Mit einigen, die ich während der Veranstaltung kennenlernte, hielt ich weiter über Facebook kontakt.
Ich nahm Flos Angebot an, mich nach Hause zu fahren. Er hätte mich zwar auch einfach in den Regionalzug in Nürnberg setzen können, aber so kam ich noch mal in den Genuss, Elektroauto zu fahren. Wir nahmen auch Andreas mit.
Flo, Andreas und ich saßen im Auto und unterhielten uns. Andreas ist es möglich zu sprechen und er kann von den Lippen ablesen. Deshalb ist es ihm sehr wichtig, NICHT als “Taubstumm” bezeichnet zu werden! Plötzlich klingelte mein handy. Es war Alexandra, die mir mitteilte, dass ich meinen Rucksack beim Veranstaltungsort vergessen hatte! Oh nein war mir das peinlich! Andreas aber meinte gelassen: „Die Menschen vergessen so oft an Barrierefreiheit zu denken, da macht es nichts, wenn auch wir mal etwas vergessen.“ Dieser Satz gefiel mir und die Situation wurde weniger unangenehm. Also machten wir uns wieder auf den Rückweg und holten meine Tasche und fuhren dann endlich nach Nürnberg zum Hauptbahnhof. Flo erzählte mir, dass es in Nürnberg automatisch fahrende U-Bahnen gibt.
Noch nie hatte ich in Nürnberg die U-Bahn genutzt und da Andreas sowieso damit fahren musste, beschlossen wir, ihn eine Station zu begleiten.
Da wir durch meinen Schwerbehindertenausweis kostenlos fahren konnten, war das kein Problem. Florian erzählte, dass er leidenschaftlich gern U-Bahn fährt und ich fand, dass dies eine gute Möglichkeit war, mich für den Umweg, den er meinetwegen machen musste, zu revanchieren. Wir machten es also genauso wie geplant, fuhren eine U-Bahnstation mit Andreas, dann wieder zurück und anschließend mit dem Auto zu Flos Oma. Wir wurden herzlich empfangen und ich entschuldigte mich ausführlich für unser zu spät kommen. Sie erklärte mir, dass sie das schon gewohnt sei und dann gab es einen leckeren Kirschkuchen und Kaffee. Normalerweise mochte ich keinen Kaffee, aber aus Höflichkeit trank ich einen mit. Der Kuchen war so lecker. Nach einer Weile verabschiedeten wir uns wieder und fuhren zur nächsten Ladestation. Ich bot Flo an, bei uns zu übernachten, da er am nächsten Morgen wieder zu Microsoft musste und mein zu Hause kürzer davon entfernt war, als seines. Er zögerte kurz, fand aber die Idee dann doch ganz praktisch. Ich rief meine Eltern an, um ihnen bescheid zu sagen. Meine Mutter war, glaube ich, erst ein wenig skeptisch, aber nach dem ich ihr erzählte, dass er mich extra nach Hause fuhr, sagte sie dann doch, dass es ginge. Nach dem Gespräch war Flo sich nicht sicher, aber ich beteuerte immer wieder, dass es kein Problem sei. Also fuhren wir noch mal zur nächsten Ladestation, luden das Auto 30 Minuten lang auf, vertrieben uns die Wartezeit mit Quizduell spielen und fuhren dann anschließend endlich zu mir nach Hause. Meine Eltern begrüßten uns und mein Vater und Flo unterhielten sich sofort. Meine Mutter richtete für Flo das Gästezimmer im Obergeschoss her. Wir erzählten dann noch ein wenig, was wir bei dem Hackathon erlebt hatten. Meine Eltern konnten sich nämlich nicht wirklich vorstellen, was man dort tat.
Wir sahen uns eine kleine Berichterstattung über den Hackathon an und regten uns ein wenig über die Begrifflichkeiten auf, die verwendet wurden.
Die Leute wissen es leider nicht besser…
Danach gingen wir nach oben ins Gästezimmer und spielten Sims. Wir mussten ja schließlich unser Haus noch fertig einräumen. Nach einer Weile hörten wir aber wieder auf, da wir beide ziemlich müde waren und Flo morgen um 6:30 aufstehen wollte. Wir würden dann noch zusammen frühstücken, bevor er zu Microsoft fuhr.
Mein wecker klingelte also um 6:30. Eine sehr frühe Uhrzeit für einen Morgenmuffel, wie ich es bin.
Ich stand aber auf, denn ich wollte noch kurz Zeit mit Flo verbringen. Mein Vater war schon wach, nur Flo fehlte… Ich schrieb ihm, ob er schon wach sei. Er antwortete, dass er gleich runter komme. Das “gleich” war dann um kurz vor sieben. Wir frühstückten den Kuchen seiner Oma. Anschließend machte Flo sich auf den Weg zu Microsoft. Ein wenig wehmütig war ich schon, dass er wieder zu dem Ort fahren durfte, an dem ich ein halbes Jahr gearbeitet hatte. An dem ich Freunde gefunden und gelernt hatte, meine Blindheit zu schätzen und sie sogar als geschenk an zu sehen. Aber es würde auch wieder eine neue Zeit anbrechen, in der ich lernen und mich weiterentwickeln konnte!
Ihr seht also, wie viel Aufregung man an einem Wochenende erleben kann. Ich bedanke mich bei allen, die dabei waren und für alle tollen Projekte, die entstanden, um Barrierefreiheit zu ermöglichen.
Diese drei Tage haben mir so viel über Menschen unterschiedlicher Behinderung beigebracht. Eine wahre Horizonterweiterung!
Also, bis zum nächsten Hackathon und wenn ihr nicht so lange warten wollt, bis zum nächsten Blogeintrag! 🙂